Tag 22, bis Santiago de Compostela
- Corina Salerno

- 26. Apr. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Heute ist es soweit, die letzten Kilometer bis Santiago stehen mir bevor. Heute morgen bin ich in einer ganz speziellen Stimmung. Ich konnte bis heute nicht genau definieren was ich dann am Ende des Jakobswegs, genau empfinden möchte. Was ich spezielles nach Santiago de Compostela trage. Im Moment fühle ich mich ein bisschen verunsichert weil mir klar ist, dass ich nach Ankunft in Santiago, bald wieder in den Alltag starten werde. Mir ist klar, nach jedem erreichten Ziel, beginnt ein neuer Weg zum nächsten Ziel. Das Ziel ist nie nur das Ende, sondern immer auch ein Anfang! Ich bin ehrlich, ich fühle mich ein wenig überfordert. Werde ich doch einen neuen Job in der Pflege als Pflegefachfrau antreten, (zu 50%) und mich gleichzeitig selbstständig machen. Ich will als Integraler Resilienz & Stress Coach meinen Traum verwirklichen.
Ich bin weiterhin in der Ausbildung, welche bis Januar gehen wird. Visionen stehen bereits und Projekte formen sich! Ich freue mich so sehr darauf !
Ich bin trotzdem ein wenig unsicher ob ich das alles meistern werde. Gleichzeitig fühle ich mich aber auch stark und weiss, was ich zu leisten fähig bin. Ich kenne meine Ressourcen und bin überzeugt, der Erfolg kommt !
Ankommen heisst immer auch, dass etwas zu Ende geht.
Die ist immer ein großer Schritt und ich glaube desshalb bin ich auch ein wenig verunsichert.
Mir wird heute morgen, auf den ersten paar Kilometern bereits bewusst, dass diese Fernwanderung nach Santiago für mich, klar ein Abschluss ist. Ein Abschluss im Sinne des HINTER MIR LASSEN was gewesen ist.
Mein Hirnschlag vor eineinhalb Jahren hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen und ich werde morgen in der Pilgermesse Messe diesen Teil meines Lebens bewusst hinter mir lassen und damit abschließen. Ich bin wieder auf den Beinen, es geht mir gut, ich bin gesund, ich habe noch Zeit und viel LEBEN vor mir.
Ich schaue freudig, vorwärts und nicht mehr zurück.
Ich freue mich auf den Moment und das ist gut so.
Die letzte Strecke zu gehen war total einfach, es waren nur noch ca. 22 km welche wir ohne Probleme zurück gelegt haben. Es gab zwei, drei Momente zu denen ich noch etwas erzählen kann.
Unterwegs, empfängt uns ein berühmter Monolith, eine Skulptur mit Pilgerstab, Jakobsmuschel und Kürbis, die das Werk der Werkstattschule Lamas de Abade ist. Zu Ehren der Pilgerer !
Klar machen wir Fotos und es kommt das Gefühl auf, bald angekommen zu sein.
Ab dem Beginn des Gemeindegebiets Santiago de Compostela, bewältigen wir 116 m Höhenunterschied inmitten dichter Vegetation. Angenehm überrascht trifft man hier auf einige der alten Kilometersteine des Jakobswegs, einige Überlebende einer ausgestorbenen Spezies.
Auch den 10.00 km Stein muss ich unbedingt fotografisch festhalten !
Wir überqueren den Fluss "Sinolla" und ich lese dazu die Informationen aus dem Internet:
Im VI. Codex Calixtinus, dem Jakobsbuch, erwähnt Aymeric Picaud (Überbringer dieser Schriften nach Compostela) den Fluss, den wir nun überqueren. In seiner Beschreibung der guten und schlechten Flüsse auf dem Jakobsweg schreibt er: „da Sinolla durch eine dicht bewachsene Landschaft in zwei Meilen Entfernung von Santiago fließt, ist er ein guter Fluss. So zogen die Pilgerer ihre Kleider aus, und wuschen aus Verehrung für den Apostel nicht nur ihre Geschlechtsteile, sondern den Schmutz des ganzen Körpers ab".
Ich musste ab der Geschichte lächeln, versteh ich doch darunter, dass die Pilgerer sich eigentlich sonst nur "im Schritt" gewaschen haben, aber zu ehern des Apostel Jakobus dann doch den ganzen Körper...
(Katzenwäsche der anderen Art)
Kaum erzähle ich die Geschichte meinem Schwager, beginnt es wie aus Kübeln zu regnen. Schnell ist die Regenkeidung montiert... Irgendwie hab ich das Gefühl, das war wohl meine Lektion für heute.
Nun sind auch wir von Kopf bis Fuss mit Regenwasser gewaschen und sauber für den Einmarsch in Santiago😉
Das grosse Gefühl am Ziel zu sein, fehlt mir, bis zum Moment, wo ich auf dem Platz der Kathedrale stehe.
GEWALTIG ! Alles ist so gross !
Ich/wir sind am Ziel 😇
500km in den Beinen und um viele Gedanken, Erlebnisse, Freundschaften und Gespräche reicher! Eventuell um ein paar Gramm leichter, etwas fitter und mit etwas mehr Kraft in den Beinen.
Wir gehen direkt zum Pilgerbüro und sind extrem, erstaunt wie unkompliziert und oranisiert wir die Compostela (Urkunde) erhalten. Nach 15 Minuten sind wir bereits wieder draussen, obwohl alle unsere Stempel geprüft wurden.
Wir treffen einige Leute unserer Wanderfamilie und Wanderfreunde wieder und gehen miteinander spontan Sangria trinken🍻 Tortilla und Chorizzo essen!
Wir haben zusammen so viel Spaß! Gelösst sitzen wir zusammen und es ist als wären wir schon lange eine Familie.
Ein Gelächter unter Finnen, Koreaner, Schweizer, Italiener, Spanier, Niederländer, Mexikaner, Australier und Belgier! Ein Fest !!
Nach dem Zimmerbezug und der heissen Dusche, gehen wir Paella essen ! Die Fleisch Version schmeckt mir extrem gut!
Spontan sage ich Vittorio; "komm lass uns bereits heute Abend in die Messe gehen".
Und es hat sich gelohnt. Sie haben den berühmten Weihrauch-Kessel geschwungen !
Eines der größten Wahrzeichen der Kathedrale ! Man nennt diesen Kessel "Botafumeiro" - vielleicht der größte Weihrauchkessel der Welt.
So geht wieder ein erfüllter Tag auf dem Jakobsweg zu Ende.




















Kommentare