Tag 3 Kampf im Wind bis Fromista
- Corina Salerno

- 7. Apr. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Früh morgens bereits tolle Gespräche mit zwei spanischen Wander-Freundinnen. Die 72-jährige, ich nenne sie einfach mal Maria, macht den Camino das 6. Mal ! Sie erzählt ihre berührende Geschichte. Vor drei Jahren machte sich Maria mit ihrem Ehemann bereit, um erneut den Jakobsweg zu wandern. Alles war gerichtet, die Rucksäcke gepackt. Ein paar Tage vor dem Start verstarb der Ehemann unerwartet. Ein Jahr später ging Maria wieder auf den Jakobsweg. Seit dieser Zeit läuft sie die Strecke jedes Jahr aufs Neue. In Erinnerung an ihren Ehemann! So berührend, diese Geschichte. Mein Herz einmal mehr, weit offen und mit grossem Respekt dieser starken Frau gegenüber ! 🤗
Wind, Wind, Wind, Wind.... Heute war es extrem anstrengend. Schon gestern Abend prophezeite mir der Wetterfrosch, für heute starken Gegenwind. 30km/Stunde. Genau so war es auch. Es gab in den letzten 26 km keine Minute ohne diesen starken, kalten Wind. Und voll gegen uns!! Stell Dir vor Du drückst die Wanderstöcke mit viel Kraft in den Boden, doch während den 2 Sekunden, wo die Stöcke keinen Bodenkontakt haben, fliegen sie fast davon ! Es hat mich heute viel Kraft gekostet, gegen diesen Wind zu kämpfen. Zeitweise hatte ich das Gefühl, ohne meinen Rucksack würde ich vom Wind davongetragen. Er hat mich müde gemacht. Auch hat es mich die Stimme gekostet. Vor lauter Wind konnte ich kaum sprechen, geschweige denn Gesprochenes verstehen. Wir mussten schreien um uns zu verständigen. Das war so anstrengend, also blieb ich still. Mit den vergehenden Stunden, fühlte ich Schwindel, da es in meinem Ohren so laut (!) dröhnte, dass es mich total konfus machte. "Ultreia", ist ein Gruss der Einheimischen, was; "vorwärts, weiter", bedeutet. Das habe ich heute definitiv gelebt. Ich musste mich immer wieder antreiben. In Mundart würde ich sagen "Grind abe u loufe"!😆 Im Stillen habe ich heute bewusst, Körperwahrnehmung trainiert. Immer wieder war ich in meinem rythmischen Trott und merkte plötzlich, wie verspannt ich, mit aller Kraft gegen den Wind kämpfte. Den Kopf nach unten, den Blick auf den Boden gerichtet, die Stöcke umklammert, mit kurzen, schnellen Schritten und die Schultern total verspannt lief ich vorwärts, dem Ziel entgegen. Ich habe alle Kräfte mobilsiert.... Doch plötzlich, diesem KRAMPF bewusst, verlängerte ich meine Schrittlänge und holte demzufolge mit den Wanderstöcken weiter aus, was sofort Erleichterung brachte. Meine Herzfrequenz sank spürbar, ebenso mein Zwerchfell und ich konnte viel besser atmen. Die Schultern entspannten sich. Dieses Spiel mit dem Bewusstsein, machte ich den ganzen Tag.
Pausen haben wir kaum gemacht. Ein paar Chips, ein Riegel, eine Handvoll Nüsse, etwas Wasser, mehr haben wir nicht gegessen. Anfangs war der Weg steil. Auf der Höhe angekommen, dann ein unglaublich schönes Gefühl. Wie auf einem Dach stehend, mit der Möglichkeit die Welt von oben zu betrachten ! Der Himmel mit seinen Wolken, vom Wind getrieben hat seines dazugegeben. So, dass ich dem Wind getrotzt habe und mit kalten, steifen Fingern mein Handy gezückt habe. Ich musste diese Stimmung immer wieder einfangen, fest halten. Es ist sehr oft, vor allem eine mentale Sache, den Weg zu meistern, auch das habe ich heute erneut erlebt. Dazu kommt aber trotzdem, der Kraftaufwand. Und ich hab gekämpft, geschwiegen und innerlich gearbeitet. So bin ich am Ziel angekommen. Nun sind wir geduscht, stolz, müde und dankbar. Heute Abend essen wir etwas, in einem kleinen Restaurant. Ich habe absolut keinen (!) Hunger, aber mein Schwager passt auf mich auf und meldet, dass ich essen muss ! Ok, dann werd ich wohl gehorchen😉

























Kommentare