Tag 7 bis el Burgo Ranero
- Corina Salerno

- 11. Apr. 2022
- 5 Min. Lesezeit
Weiter gehts...
Ich bin wieder mit Schmerzen aufgestanden. Langsam gewöhn ich mich daran. Also noch ein Tag unter Ibuprofen. Was solls! Wir kaufen uns Früchte für die Mittagspause und humplen pünktlich los.
Heute frage ich mich, wieso so viele Strecken dieses Jakobweges an einer Straße entlang führen. Im Vergleich zur Normandie, dem Zöllnerweg, ist das hier ein ganz anderes wandern. Ich habe mir vorgestellt, dass ein so spiritueller Weg, wie der Jakobsweg geprägt ist von Wegen, die durch die reine Natur führen. So, dass sich die Pilgerin verbunden fühlt mit der Natur und dem Höheren selbst. Oder wie auch immer....
Auch "fehlen" mir für genau diesen Weg, kleine unzählige Wegwarten oder Kapellen welche dazu einladen reinzugehen, innezuhalten und sich Gedanken über den Sinn des Lebens zu machen. Suchen doch viele Menschen hier Antworten auf Fragen die sie bis jetzt, im täglichen Leben noch nicht beantworten konnten. Heute begegnen wir Renzo aus Zürich. Auch er ist unterwegs um Antworten zu finden. Er ist vor 5 Wochen, irgendwo in Frankreich gestartet. Aus ursprünglich geplanten drei Wochen wurden eben 5 und nun hat er sich entschieden bis nach Compostela zu gehen. Er sagt er konnte die Antworten auf seine Herzensfragen noch nicht finden.... Also zieht es ihn weiter.
Es ist schön zu fühlen, wie jeder Mensch hier, nicht nur seinen physischen Rucksack mit sich trägt, vielmehr auch seine eigenen Seelen-Wunden zu pflegen versucht. Eine solche Auszeit, welche viel Raum lässt für Gedanken, täten sicher jeder Frau auch jedem Mann ab und zu gut. Ich bin privilegiert dies hier ein weiteres Mal zu machen und bin extrem dankbar dafür. Von ganz jung bis ins höhere Alter sind hier Menschen unterwegs. Es ist wirklich angenehm, zu wissen, dass am Ende des Tages verschiedene Unterkünfte warten und dass diese jeweils bestimmt einen Platz zum Schlafen haben. Ich kann mich getrost auf das Wandern konzentrieren. Ich muss mir eigentlich im Voraus keine Gedanken machen, bis wo ich laufe und wo ich schlafen will. Wieder treffe ich Mike, ein Herr vielleicht um die 60 Jahre, mit welchem ich jeweils Französisch spreche. Heute frage ich ihn ob wir ein Selfie machen wollen und und nenne ihn lachend, Californien-Men. Trotz Verletzung schreitet er immer zügig voran. Immer wenn er sein Portemonnaie hervor nimmt, sehe ich eine glänzende Plakette. Ich glaube er war Feuerwehrmann in Californien.
Die Pilger Menüs sind wirklich toll. Vorspeise, Hauptspeise und Dessert inklusive Wasser und Wein zu jeweils 12 € sind wirklich günstig und meistens ist es auch gute Hausmannskost.
Unsere Diskussionen heute beinhalten Selbstverantwortung und Abhängigkeit. Ich lerne meinen Schwager, den ich kenne seit ich 17 bin, auf eine ganz andere Weise kennen. Wir haben Zeit über das Leben zu philosophieren. 10 Jahre Unterschied machen sich ab und zu bemerkbar. Wir sind nicht immer einer Meinung. Seine italienische Mentalität und meine Schweizer-Italo Mentalität scheinen recht verschieden und trotzdem aber auch in einzelnen Bereichen ähnlich zu sein. Es ist spannend zu diskutieren sich auszutauschen. Gute Gespräche entstehen!
El Burgo Ranero ist ein kleines verschlafenes Örtchen. Das erste das mir wirklich gefällt. Die Häuser säumen die schmalen Straße. Die verschiedenen Fassaden beeindruckt mich. Einige Häuser sind mit Lehm und Stroh gepflastert, was ein warmes Gefühl vermittelt. Unbegreiflich, dass sich diese Fassaden mit dem Regen nicht auflösen. Hier scheinen ein paar Menschen, das ganze Jahr durch, zu wohnen, denn es gibt recht viele Autos. Menschen sind auch hier, keine zu sehen. Die einzigen die wir antreffen sind jeweils die Besitzer der Hostels und die Pilgerer. Heute erneuter Besuch in der Apotheke. Sonne und Wind haben meinem Schwager die Lippen zerrissen und hässlicher Herpes macht sich breit. Doch auch dieses kleine Problem kriegen wir in ein paar Tagen in den Griff. Zovirax sein Dank! Und ich leiste mir ein Beutel Gesichtsmaske😍! Was für ein Genuss!
17.30 und ich genieße einmal mehr die Sonne, die Ruhe, das Angekommen sein. Der Wind ist heute relativ stark. (Später wird es bestimmt regnen) Trotzdem sitze ich nun draußen auf der Straße, in diesem verschlafenen Dorf, mit dem Rücken zu Hausfassade und schreibe meinen Blog Text. Meine Gedanken wandern nach Hause zu meiner Familie und meinen Freunden. Es geht mir gut, ich bin erholt und angekommen, hier im Fernwanderleben. Laufen, essen, schlafen. Laufen, essen schlafen...
Ich liebe es ! Danke für alle die an mich denken und sich ab und zu melden!
So langsam finden sich die Gedanken, über das was läuft, wenn ich wieder zurück bin.
Wie einfach das Leben hier draussen scheint. Doch wissen wir alle nicht, wie streng das auch sein kann. Viele hier haben seit 2 Jahren, wegen Covid, nicht öffnen können, somit auch nichts verdient. Es ist offensichtlich, dass diese Dörfer, Herbergen, Hotels und Restaurants, nur überleben weil so viele Pilgerinnen diesen Weg gehen. Für einige hier, so haben haben wir gehört, ist dies das einzige Einkommen, dass sie haben. Uns geht es zu Hause so gut !! Gleichzeitig kommt aber auch der Gedanke; "wem geht es besser"?
Viel Arbeit, viel Stress, gutes Einkommen und wenig Freizeit, versus weniger Einkommen, weniger Erwartungen, eifacheres Leben. Sind die Sorgen nicht die selben?
Kaum habe ich meinen Blogtext fertig, kommt wie bestellt, Maria aus dem Hostel-Restaurant und ich stelle ihr meine Fragen. Ich spüre sofort, sie freut sich extrem, dass ich mich für Ihr Leben interessiere ! Liebe Alle, die Sorgen sind definitiv die selben. Hier in der Region leben die Menschen wie vermutet, vom Ackerbau. Leider seit längerem zu viel Import von fremder Waare, somit weniger Einnahmen für die Landwirte. Als Überbrückung, wegen Covid, erhielt Maria vom Staat pro Monat 380€, normalerweise verdient sie 1400€ pro Monat.
Miete, für ihre Wohnung (sie hat Familie mit Kinder) pro Monat 420€.
Sie sagt, es brauche eigentlich nicht viel um zu Leben, aber es war eine extrem harte Zeit. Sie hoffen nun auf viele Pilgerer, damit sie wieder vorwärts schauen können. Ich wünsche ihnen so viel Glück und gutes Gelingen! Trotz allem liegt in den Augen von Marie eine wunderbare Wärme. Was für eine Kämpferin. Sie liebt ihre Arbeit!
Wichtig ist doch, in allem was wir tun, so oft wie möglich, Erfüllung zu finden. Aufzustehen und seine Arbeit, seine Familie, seine Freunde, seine Freizeitaktivitäten, zu lieben, ist für mich das, was mich bereichert und glücklich macht. Gesundheit steht an erster Stelle! Doch auch hier liegt die Entscheidung, wie ich damit umgehe, IMMER bei mir!
Heute reflektiere ich:
Was treibt mich im Leben vorwärts, was inspiriert mich, wer sieht in mir, genau so wie ich bin, eine Bereicherung. Wer verbringt gerne Zeit mit mir? Wer hat für mich ein offenes Ohr und ist ehrlich mit mir... Bin ich Dankbar für alles was ich habe? Habe ich die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die nicht zu ändern sind. Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden ??
Gute Gedanken, ALLES darf sein!
Ich bin ganz bei mir !
Danke Leben !


















So schön, jeden Tag deine Einträge zu lesen. Ich leide mit dir und deinen Schmerzen. :-( Hoffe du kannst bald wieder wandern ohne zu viel beeinträchtigt zu sein. Liebe Grüße Danielle